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Themen der Personalpsychologie

Warum neue Arbeitsmethoden nicht für jeden funktionieren

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Einführung und Allgemeines zum Thema neue Arbeitsmethoden oder "New Work"

Der Begriff „New Work“ bezeichnet ein modernes Verständnis von Arbeit, das auf den tiefgreifenden ökonomischen, technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte basiert. Ursprünglich geht der Begriff auf den Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück, der in den 1980er-Jahren ein alternatives Arbeitskonzept entwickelte, das auf Freiheit, Selbstverwirklichung und Sinnhaftigkeit beruht. Im heutigen wissenschaftlichen Diskurs beschreibt New Work jedoch ein umfassendes Paradigma, das verschiedene Arbeitsmethoden, Organisationsformen und Führungsansätze integriert, um den Anforderungen einer zunehmend digitalen, vernetzten und dynamischen Arbeitswelt gerecht zu werden.

 

Im Zentrum von New Work steht die Abkehr von traditionellen, hierarchischen und stark kontrollierten Arbeitsstrukturen hin zu flexiblen, partizipativen und selbstorganisierten Formen der Zusammenarbeit. Typische Merkmale sind flache Hierarchien, agile Methoden (z. B. Scrum, Kanban), projektbasierte Teamarbeit, iterative Lernprozesse sowie die Integration digitaler Technologien zur Unterstützung von Kommunikation und Kollaboration. Diese Methoden fördern eine höhere Autonomie und Verantwortung der Beschäftigten, was wiederum Kreativität, Innovationsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit steigern soll. Aus arbeitspsychologischer und organisationssoziologischer Perspektive wird New Work häufig mit Konzepten wie Empowerment, Job Crafting, Purpose-Orientierung und Work-Life-Integration in Verbindung gebracht. Diese Konzepte betonen die Bedeutung individueller Sinnstiftung, intrinsischer Motivation und sozialer Zugehörigkeit in der Arbeit. Dabei wird Arbeit nicht mehr primär als Mittel zum Zweck (Einkommenserwerb), sondern zunehmend als Raum der Selbstentfaltung verstanden.

 

Gleichzeitig ist New Work eng mit der Digitalisierung und Globalisierung verknüpft, die neue technische und organisatorische Möglichkeiten eröffnen – etwa Remote Work, virtuelle Teams oder KI-gestützte Assistenzsysteme. Diese Entwicklungen führen zu einer Entgrenzung von Arbeit (zeitlich, räumlich und sozial), die sowohl Chancen (z. B. Flexibilität, Diversität) als auch Herausforderungen (z. B. Entgrenzung der Arbeitszeit, digitale Erschöpfung) birgt.

Insgesamt lässt sich New Work als transformative Bewegung verstehen, die das Ziel verfolgt, Arbeit menschengerechter, sinnstiftender und anpassungsfähiger zu gestalten. Wissenschaftlich betrachtet steht sie im Spannungsfeld zwischen ökonomischer Effizienz und humanistischer Arbeitsgestaltung und erfordert daher ein interdisziplinäres Verständnis aus Betriebswirtschaft, Psychologie, Soziologie und Technikforschung.

Herausforderungen aus der psychologischen Perspektive:

Aus psychologischer Perspektive stellt das Konzept von New Work die Beschäftigten vor eine Reihe tiefgreifender Herausforderungen, die insbesondere mit der zunehmenden Flexibilisierung, Digitalisierung und Autonomisierung von Arbeit verbunden sind. Während New Work in seiner Grundidee auf Selbstbestimmung, Sinnorientierung und individuelle Entfaltung abzielt, zeigen empirische und theoretische Analysen, dass die damit einhergehenden Veränderungen neue psychische Belastungsformen hervorrufen können. 

 

Ein zentraler Aspekt ist die gesteigerte Eigenverantwortung der Beschäftigten. Durch flache Hierarchien, agile Arbeitsformen und selbstorganisierte Teams werden Entscheidungs- und Steuerungskompetenzen zunehmend an die Mitarbeitenden delegiert. Diese erweiterte Autonomie kann zwar als Ressource wirken und die intrinsische Motivation stärken, führt jedoch gleichzeitig zu einem erhöhten Bedarf an Selbstmanagement, Prioritätensetzung und Selbstdisziplin. In Situationen unklarer Verantwortlichkeiten oder unzureichender organisationaler Unterstützung kann daraus ein Gefühl der Überforderung und Unsicherheit entstehen, das in der Literatur häufig als „Autonomiestress“ bezeichnet wird.

Darüber hinaus führt die räumliche und zeitliche Entgrenzung von Arbeit, etwa durch mobile und digitale Arbeitsformen, zu einer Vermischung von Berufs- und Privatleben. Diese Entwicklung birgt das Risiko, dass Beschäftigte Schwierigkeiten haben, nach der Arbeit psychologisch zu „detachen“, also sich mental zu erholen. Eine dauerhafte Erreichbarkeit sowie das Verschwimmen von Arbeits- und Ruhezeiten können chronische Stresssymptome, Schlafstörungen und Erschöpfungszustände begünstigen. Parallel dazu wird vermehrt auf die Gefahr sozialer Isolationhingewiesen: Virtuelle Teams und der Rückgang informeller sozialer Kontakte im Arbeitsalltag können das Erleben von sozialer Unterstützung und Zugehörigkeit mindern, was sich negativ auf Motivation und Wohlbefinden auswirken kann.

Ein weiteres psychologisches Spannungsfeld ergibt sich aus der permanenten Veränderungsdynamik, die mit New-Work-Praktiken und agilen Organisationsstrukturen einhergeht. Beschäftigte müssen kontinuierlich neue Technologien, Prozesse und Rollenanforderungen bewältigen, was eine hohe Veränderungsbereitschaft und Ambiguitätstoleranzvoraussetzt. Fehlt es an ausreichenden Ressourcen wie Feedback, Lernmöglichkeiten oder sozialer Unterstützung, können diese Anforderungen zu Belastungen führen, die im Rahmen des Job-Demands-Resources-Modells (Bakker & Demerouti, 2007) als Risikofaktoren für Erschöpfung und Burnout interpretiert werden.

Hinzu kommt die wachsende digitale Überforderung durch eine stetige Informationsflut, Multitasking und ständige Unterbrechungen in digitalen Kommunikationskanälen. Dieses Phänomen, oft als Technostress beschrieben, beeinträchtigt die Konzentrationsfähigkeit und führt zu kognitiver Ermüdung sowie emotionaler Erschöpfung. Schließlich entsteht durch die in New Work stark betonte Sinnorientierung ein zusätzlicher psychischer Druck: Beschäftigte werden zunehmend mit der Erwartung konfrontiert, in ihrer Arbeit persönliche Erfüllung und Purpose zu finden. Wenn die tatsächlichen Arbeitsbedingungen diesen Erwartungen nicht entsprechen, kann dies zu kognitiver Dissonanz und Enttäuschung führen.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass New Work die klassischen Belastungsprofile der Arbeit transformiert: Physische Beanspruchungen treten in den Hintergrund, während emotionale, kognitive und selbstregulative Anforderungenzunehmen. Die psychologischen Herausforderungen liegen somit weniger in der Quantität, sondern vielmehr in der Qualität der Arbeitsanforderungen, die durch Autonomie, Flexibilität und Digitalisierung geprägt sind. Entscheidend für die psychische Gesundheit der Beschäftigten ist daher, dass Organisationen geeignete Ressourcen und Schutzfaktoren bereitstellen – etwa klare Kommunikationsstrukturen, Möglichkeiten zur Erholung, soziale Unterstützung und eine wertebasierte Führungskultur –, um die positiven Potenziale von New Work nachhaltig zu realisieren.

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